Alle vier Jahre ist es wieder soweit: Die Bundesrepublik wird an die Wahlurne gerufen. Doch das ist längst nicht alles, denn in der Zwischenzeit entscheiden Bürger:innen auch auf regionaler und lokaler Ebene über die politische Richtung des Landes.
Wer Wähler:innen von sich überzeugen möchte, muss also stetig erfolgreiche politische Kommunikation betreiben. Doch über die klassischen Massenmedien erreicht man die Gen Z nicht mehr - und verliert so den Kontakt zu einer großen Gruppe von Erstwähler:innen. Im Jahr 2021 waren das immerhin 2,8 Millionen Menschen. Kein Wunder also, dass sich eine immer größere Gruppe deutscher Politiker:innen genau aus diesem Grund der “jungen” Plattform TikTok zuwendet und sie für die eigene politische Kommunikation nutzt.
“Dieser Fehltritt wiegt schwerer als andere”. So beschrieb ein Journalist der Tagesschau das Silvester-Video zum Jahreswechsel 2022/ 2023 von Christine Lambrecht, zu dieser Zeit amtierende Verteidigungsministerin. Der Grund? Die Politikerin richtete ihre Neujahrsgrüße an die deutsche Bevölkerung nicht nur in einem wackelnden, kaum zu verstehenden Video, sondern leistete sich gleich noch einen weiteren Patzer. Sie sprach über den Krieg in der Ukraine und erklärte, durch diesen “ganz viele besondere Eindrücke gewinnen zu können” und “Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen” gehabt zu haben. Zu Opfern, Geflüchteten und anderen Folgen des Krieges äußerte sie sich hingegen nicht.
Die Folge: Ein Shitstorm, der die Bundesrepublik erschütterte und die vorherigen politischen Fehler Lambrechts ins Licht der Öffentlichkeit rückte; verbunden mit lauten Forderungen nach ihrem Rücktritt, denen sie im Januar 2023 nachkam. Das Ende einer Amtszeit und Karriere, ausgelöst durch ein einziges Instagram-Video - und ein Beispiel, das vor allem eins demonstriert: Politische Kommunikation in den sozialen Medien ist heute wichtiger denn je, denn sie birgt das Potenzial, ganze Karrierewege zu verändern.
„Ich glaube, wenn man in Deutschland Erstwähler:innen erreichen möchte, dann muss man auf TikTok sein. Das ist die Plattform, wo man diese Zielgruppe am besten adressieren kann, weil sie dort am besten erreichbar ist.“
Mit diesem Satz beschreibt Politikberater Martin Fuchs im Gespräch mit dem Deutschlandfunk die Relevanz von TikTok für politische Akteur:innen. Der Politikwissenschaftler weiß, wovon er spricht, denn wer die Gen Z erreichen will, kommt an TikTok heute nicht mehr herum. Rund 73 % der 16- bis 19-jährigen sowie 60 % der 20- bis 29-jährigen nutzen die Plattform. Kein anderes soziales Netzwerk wächst so schnell.
Dabei werden die sozialen Medien nicht nur als Entertainment-Plattform genutzt, sondern dienen jungen Erwachsenen immer mehr auch als Hauptinformationsquelle für Berichterstattung. Die Plattformen entwickeln sich zu einem Ort der politischen Kommunikation und sind so ein wichtiges Mittel bei der Informationsversorgung junger Wähler:innen. Dabei geht es nicht nur um professionelle Kommunikator:innen wie Presse oder Parteien, auch Privatpersonen bringen sich in den sozialen Medien in den öffentlichen Diskurs ein. So kursieren unzählige TikToks der Proteste in Frankreich, in deren Kommentarspalten zuweilen heftig diskutiert und gestritten wird, und Accounts wie what.politik erklären komplexe politische Themen in wenigen Minuten. Diese Videos sind nur einige Beispiele für Inhalte, die die Debatten auf TikTok prägen.
Kein Wunder also, dass es heute schon mehrere hundert deutsche Politiker:innen auf die Plattform geschafft haben. Sie haben das Potential von TikTok erkannt - einige von ihnen können auf der Plattform bereits Tausende an Follower:innen von sich begeistern.
Da ist zum Beispiel Thomas Sattelberger, der bis 2022 Mitglied des Deutschen Bundestages war. Der FDP Politiker verzeichnet auf TikTok über 140k Follower:innen - und das im Alter von über 70 Jahren. Auf der Plattform schafft er es, bekannte Trends zu erfolgreicher politischer Kommunikation zu machen, stellt mit Themen rund um Schule und Universität den Bezug zu seiner jungen Zielgruppe her und setzt sich passioniert gegen Homophobie und rechte Politik ein. Er ist nicht der einzige der Freien Demokraten, der Erstwähler:innen von sich begeistert: Auch Kollege Dr. Wolfgang Heubisch greift mit humorvollen Videos immer wieder politische Gegner:innen an und hat es so ebenfalls geschafft, mehr als 100k Follower:innen von sich zu überzeugen.
Eine andere Strategie verfolgt CDU-Politiker Uwe Dorendorf, der - im Gegensatz zu seinen Konkurrenten - keineswegs nur auf der sachlichen Ebene agiert. Der Abgeordnete des niedersächsischen Landtages schießt in seinen Videos hart gegen seine politischen Gegner:innen. Egal ob Olaf Scholz, die Grünen oder die Linke: Dorendorf geht offen in Konfrontation und polarisiert mit seiner harten Linie, bleibt dabei jedoch stets humorvoll. Der Politiker provoziert und schafft so eine Menge Aufmerksamkeit für sich und seine Partei.
Auch wenn die drei Kandidaten jeweils ihren eigenen Stil verfolgen, eines haben sie gemeinsam: Sie verstehen, wie die Plattform funktioniert und agieren dementsprechend. So nutzen alle drei regelmäßig aktuelle Sounds, passen sich den neuesten Trends an und setzen den Fokus auf Entertainment. Sie verstehen, was die Gen Z sehen will.
Diese erfolgreichen Beispiele zeigen: Wer auf TikTok erfolgreich Politik machen möchte, tritt am besten als Einzelperson auf. Persönlichkeit, Humor und starke Werte, all diese Faktoren lassen sich hervorragend personalisieren und sind genau das, was die Community auf TikTok in den Bann zieht. Politiker:innen, die sich selbst nicht zu wichtig nehmen, Respekt vor der jungen Zielgruppe haben und auf Augenhöhe kommunizieren, kommen gut an. Relevant ist außerdem eine klare Abgrenzung gegen politische Gegner:innen; das Rezept für eine Menge Klicks ist denkbar einfach: Wer sich ab und an auch mal traut, zu provozieren und eine starke Haltung zeigt, generiert Aufmerksamkeit. Dabei sollten die Politiker:innen jedoch stets auf der sachlichen und fairen Ebene bleiben, denn auch in den sozialen Medien ist ein professionelles Auftreten für politische Akteuren:innen unabdingbar. Das erfolgreiche Agieren auf der Plattform wird so nicht selten zur Gratwanderung. Politiker:innen müssen, wenn sie erfolgreichen Content produzieren möchten, immer nach der Logik der Plattform handeln, ohne an demokratischen Werten zu verlieren. Denn auch, wenn freche, angriffslustige Inhalte vom Algorithmus oft favorisiert werden: Politische Akteur:innen haben die Pflicht, sich der Verantwortung gegenüber der jungen Zielgruppe bewusst zu sein. Die Wirkungsweise der App ist keine Ausrede oder Berechtigung für populistische Inhalte; Qualitätsstandards der klassischen Distributionswege gelten auch auf TikTok.
Das heißt konkret: Politiker:innen, die auf der Plattform erfolgreich sein wollen, müssen Entertainment und politische Bildung effektiv und mit viel Fingerspitzengefühl kombinieren und plattformnativ agieren. Dabei sollte der Unterhaltungsfaktor der Videos nicht zu kurz kommen. Ganz nach dem Motto: “Act like a creator, not like a politician!”. So kann die Gen Z erreicht und politische Bildung sowie der eigene Wahlkampf vorangetrieben werden.
Politische Kommunikation findet heute immer weiter auch über die sozialen Medien statt und hat hier die Kraft, ganze Karrierewege zu verändern.
Wer Erstwähler:innen ansprechen möchte, für den:die ist besonders TikTok von Relevanz, denn die Plattform hat den höchsten Anteil an jungen Nutzer:innen und weist nach wie vor ein rasantes Wachstum auf.
Auch wenn TikTok als Ort der politischen Kommunikation noch vergleichbar jung ist: Einige Politiker:innen haben die Plattform schon für sich entdeckt und begeistern ihre Follower:innen mit den neuesten Trends, die sie auf politische Themen beziehen.
Wer erfolgreiche politische Kommunikation auf TikTok machen möchte, tritt am besten als Einzelperson auf, zeigt klare Kante gegen politische Gegner:innen und mischt Unterhaltung und politische Bildung.
Das Motto “Act like a creator, not like a brand!”, das für Marken immer weiter an Bedeutung gewinnt, gilt auch für Politiker:innen. “Act like a creator, not like a politician” ist das Erfolgsrezept für Engagement und guten Content auf TikTok.
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